Wie das Podcasten den Markt verändert
22.05.2007

Weder die Sender noch die Freien MitarbeiterInnen der Sender haben bisher einen Begriff davon, wie revolutionär die podcast-Technologie ihre Existenz beeinflussen wird.

 

von Ulli Schauen

Der Freie Mitarbeiter und Medienfachmann Fiete berichtet auf eigenes Risiko und eigene Spesen von einer mehrtägigen Medienkonferenz. Das rentiert sich für ihn – leidlich – nur deshalb, weil er für verschiedene Redaktionen berichtet. Kulturjournale und Medienmagazine im Hörfunk hat er als Abnehmer gewonnen, und auch ein, zwei Fachzeitschriften. Doch nun kommt die Podcast-Technologie ins Spiel. Ob SWR oder WDR, BR oder DLF – die Redaktionen stellen seine Berichte als Podcast ins Netz.


Die erste Folge ist, dass jeder, der die Podcasts der entsprechenden Sendungen abonniert hat, die doch sehr ähnlichen Berichte des Autors Fiete auf seinen PC bekommt. Hm. Und nun fällt außerdem auf, dass Fiete seine Berichte nur sehr wenig variiert hat, um jeweils ein neues Honorar bekommen zu können – denn, wie gesagt, ohne neues Honorar rentiert sich sein Aufwand nicht. Und natürlich hat die Medienredaktion des DLF auch den Podcast des BR abonniert und wird nun vielleicht sauer auf Fiete, wo vorher augenzwinkerndes Einverständnis herrschte. Aber er kann beim besten Willen nicht jeden Bericht komplett unterschiedlich produzieren, dazu fehlt die Zeit, denn sie wollen's alle auch schnell haben.


Die zweite – für Fiete positive – Folge ist, dass er selbst es bemerkt, dass auch die Medienredaktion Hessische Rundfunk seinen Bericht vom Bayerischen Rundfunk übernommen hat, trotz „W“-Vertrag ohne zu bezahlen. Er mahnt also dort das Geld an. Und er hat nun die Gelegenheit, das Werk bei der VG Wort zu melden.


Die dritte Folge ist mittelfristig absehbar und noch viel gravierender. Sobald die Radio-Produzenten und die Konsumenten die Podcasts noch umfassender nutzen als bisher, verschmelzen die jeweiligen special-interest-Magazine in der Sicht der Zuhörer/Zuschauer zu einem einzigen Informationskanal. Wenn sie also noch wahrgenommen werden will, kann es sich zum Beispiel die Verbrauchersendung des NDR nicht mehr leisten, allzuviele Beiträge vom WDR einfach so zu übernehmen. Aber das BR-Medienmagazin wird von Fiete kein Thema mehr kaufen, das er auch beim WDR-Medienmagazin los geworden ist. Denn auf dem PC und dem MP3-Player der Zuhörer ist Fietes erster Bericht ja schon angekommen. Wer nun noch meint, die 4,5 Prozent tariflicher Online-Zuschlag wären ein guter Lohn, der hat sich fies verrechnet. Die 4,5 Prozent kriegt er nämlich, weil der WDR sein Werk als Podcast nutzt. Aber nun kann Fiete kann einfach nicht mehr für nur den alleinigen Abnehmer Wdr die geliebte Medienkonferenz besuchen, wenn er nicht vom WDR alleine das doppelte Honorar für die intensive weltweite Verbreitung bekomme. Sonst wird wieder die Sache von Angestellten erledigt – oder das Programm verarmt.


Die vierte langfristige Folge ist schlimm, wenn erst einmal das gesamte Programm der regional organisierten ARD als podcast parallell und zeitversetzt nach gusto für die Zuschauer und Zuhörer verfügbar ist. Video und Audio „on demand“ hieß das früher, aber podcast und Internettechnologien wie www.onlinetvrecorder.com ermöglichen dasselbe nun noch viel komfortabler als jemals gedacht. Man braucht ja nicht einmal mehr zu klicken, damit das Programm auf den eigenen Rechner kommt – ob nun aus Potsdam, München, Hamburg oder Köln. Wer jetzt schon über Digitalsatellit das gesamte ARD-Radio- und Fernsehprogramm empfängt, kann sich davon schon einen Begriff machen.


Jetzt ist es ist egal, wer das Kulturmagazin, das Politikmagazin oder das Medienmagazin sendet. Alles, was nicht nur regional interessant ist, ist in Frage gestellt. Denn nun wird offensichtlich, dass überall das Gleiche wiedergekäut wird, auf nur marginal unterscheidbare Weise. Und die Existenz aller möglichen Wellen und Redaktionen steht in Frage: Warum eigentlich noch die Nachrichtensender Bayern 5, WDR 5, NDR Info, MDR Info parallel betreiben? Warum die Kulturinfos noch von WDR 3, Nordwestradio und MDR Figaro parallel beziehen?


Das könnte paradoxe und bizarre Effekte haben:

Entweder alle möglichen Sender ziehen sich ausschließlich auf die regionalen und subregionalen Themen zurück. Die Politik von Rüttgers und Platzeck wird dann eingehender beleuchtet als die von Merkel, weil das ja auch alle anderen machen. Und gerade deswegen, weil MDR Figaro garantiert nicht das Salonorchester von Solingen im Programm hat, wird es für die WDR-Kulturleute interessant. Eine weitere Provinzialisierung also gerade darum, weil alle Sender ihre Sendungen weltweit verfügbar machen.


Oder aber die Sender treten in einen Wettstreit darum ein, über dieselben Themen auf immer abstrusere und schrillere Weise zu berichten – Hauptsache unterscheidbar. Der Erfolg oder Misserfolg ist ja auch per Podcast-Abozahl unmittelbar messbar.


Nichts davon dürfte Medienfachmann Fiete gefallen.


Die fünfte Folge ist verheerend: Weil ja sowieso alle Sender ihre Majo und Ketchup-Spezialitäten in die gleiche rotweiße Podcast-Soße liefern, überlegen sich die Politiker, Sender und Wellen abzuschaffen und die öffentlich-rechtlichen Sender zurecht zu stutzen. Jetzt ist nicht nur Fiete dran, sondern auch seine angestellten Kolleginnen und Kollegen.

 (aus dem Freibrief 1/2007) 


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