Scheinselbstständigkeit, Verweigerung von Zuschlägen und allerlei Belastungen für den Redaktionsetat, die auf die Honorare drücken - das sind nur einige Faktoren, welche die Arbeitsbedingungen für freie Autoren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verschlechten, schreibt Manfred Kloiber.
ARD und ZDF sparen sich zu Tode. Zwar redet der eine oder andere aus der Management-Riege der Anstalten die herben Einschnitte schön und macht am Ende der Schrumpfkur eine Bestandsgarantie aus. Aber tatsächlich werden nennenswerte Einsparungen nur bei den Programm-Mitteln zu erzielen sein. Denn auch wenn Personalkürzungen von den Oberen versprochen werden - die redaktionelle Arbeit muss gemacht werden. Dies hat zur Folge, dass mehr Programm-Mittel für versteckte Personalkosten statt für Senderrechte - also für die Autoren - ausgegeben werden. Dies belegt beispielsweise die Praxis bei DeutschlandRadio. Hier hat der Gesetzgeber von vorn herein der Anstalt Fesseln angelegt und die Zahl der Planstellen auf 710 nach oben hin beschränkt. Die Reaktion der Anstalt darauf: Aus den Mitteln der Programmdirektion, also aus dem Topf, der vor allem für die Finanzierung von Senderrechten dient, werden so genannte "Honorarzeitkräfte" mit äußerst kritikwürdigen vertraglichen Konstruktionen, offiziell als Freie Mitarbeiter, de facto als angestellte Redakteure beschäftigt. Diese Stellen werden vor allem mit Berufseinsteigern und Volontären besetzt, die damit natürlich eine hervorragende Startchance erhalten, die DeutschlandRadio ohne dieses Konstrukt nicht bieten könnte. Gleichzeitig aber werden die Mitarbeiter in eine ganz schwierige soziale Schieflage gedrängt. Denn tatsächlich sind sie weder richtig angestellt noch richtige Freie Mitarbeiter. Sie fallen wechselweise unter den einen oder den anderen Tarifvertrag. Und was die Bezahlung angeht, fallen sie ganz durch den Rost - denn weder der eine noch der andere Tarifvertrag kennt diese Konstruktion, hält also keine Größenordnungen dafür bereit. Um es anders herum zu sagen - dieses Vertragsmodell ist praktizierte Tarifflucht! DeutschlandRadio selbst handelt sich auch Nachteile mit dieser Konstruktion ein - beispielsweise eine erhebliche Unsicherheit, dass sich Mitarbeiter einklagen. Denn die Verträge sind arbeitsrechtlich wackelig und müssen durch Offenhalten von Planstellen abgesichert werden. Der größte Nachteil jedoch besteht darin, dass eine Redakteursstelle, die bislang in den Etats der Redaktionen nicht auftauchte, nun mit gut 40.000 Euro pro Jahr zu Buche schlägt und damit die Programm-Mittel deutlich reduziert. Umgerechnet ist dies - bezogen auf einen typischen 5-Minuten-Beitrag zum Beispiel im Wissenschaftsprogramm des Deutschlandfunks - der Gegenwert von 150 Beiträgen. Sparen, Sparen, Sparen Nun ist dies ein besonders drastisches Beispiel. Doch wer die Arbeitszusammenhänge in den Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kennt, weiß, dass ein Sparziel von fünf Prozent bei den Planstellen unweigerlich bei den Freien Autorinnen und Autoren durchschlagen wird. Das zeigen auch die Umstrukturierungen bei WDR 3, deren oberstes Ziel sicherlich nicht die Reduzierung von Planstellen war. Doch seit der Reform sind die meisten der Redakteurinnen und Redakteure in Schicht-Redaktionen absorbiert und können keiner anderen Tätigkeit nachgehen. Die durchaus gewollte Folge: Sendungen, die bislang von Angestellten kostengünstig moderiert wurden, müssen nun von Freien moderiert werden, was auf den Programmetat geht. In anderen ARD-Anstalten, die auch Freie Mitarbeiter in redaktionellen Zusammenhängen arbeiten lassen, wird sich der Planstellenabbau in viel unmittelbarer Weise auswirken. Fehlende Redakteure werden durch Freie Tagesredakteure ersetzt werden und das wird sich auf den Etat für Lizenzen und Senderrechte niederschlagen. Ein anderes Beispiel sind die Kosten für die Eigenproduktionszuschläge, die manche Sender den Autoren zahlen, die (einen Teil der) Produktionen selbst vornehmen und damit dem Sender viel Geld sparen. Die Eigenproduktionszuschläge sind so verhandelt, dass die Einsparung durch verringerten Technik- und Personalaufwand zur einen Hälfte an den Sender und zur anderen Hälfte an den Autoren gehen. Doch in den allermeisten Sendern wurden die Einsparungen auf der Personalseite nicht umgeschichtet - mit dem Resultat, dass diese Personaleinsparung massiv den Programmetat belastet. Ein grober Managementfehler, vor dem die Gewerkschaften schon vor knapp einem Jahrzehnt gewarnt haben! Die Folgen sind klar: Der Druck auf die Autoren wird steigen, die Arbeitsbedingungen werden sich massiv verschlechtern und ein Existenzmodell, dass nur auf ARD und ZDF fußt, kann man in Zukunft getrost vergessen. Seit Jahren schon sinken oder stagnieren die Honorare für Beiträge in etlichen ARD-Anstalten, obwohl es auch für Autoren verbindliche Tarifverträge gibt mit jährlichen Erhöhungsrunden. Während einige besonders schlaue angestellte Redaktionsleiter jede Erhöhung in vollem Umfang persönlich als auch für den Redaktionsetat mitnehmen, kompensieren sie den entstandenen Spardruck durch einen üblen Taschenspielertrick: Vor der nominellen Erhöhung werden die Honorare im Honorarahmen einfach nach unten gedrückt, damit sie nach der Erhöhung wieder auf dem gleichen Level sind. Ein anderes Modell favorisiert der Verwaltungsdirektor der Deutschen Welle - er will Freie Mitarbeiter von unproduktiven Kosten befreien, sprich die tarifvertraglich garantierten Sozialleistungen streichen. Neue Tagelöhner Wer bei diesem Spiel nicht mitmachen kann (zum Beispiel, weil seine Honorare schon am untersten Rand angekommen sind) oder nicht mitmachen will, der muss sich andere Modelle einfallen lassen. Eine erhöhte Übernahmequote ist eines, das andere sind Pauschalierungen - Autoren werden für einen Tag eingekauft und müssen Beiträge "raushauen". Auch Koproduktionen mit externen Partnern werden in den Redaktionen der ARD verstärkt diskutiert. So ist es im Fernsehbereich durchaus schon üblich, größere Dokumentationen mit externen Wissenschaftsorganisationen zusammen zu produzieren. Noch gibt es eine reservierte Haltung gegenüber der Zusammenarbeit mit industriellen Partnern, die aber sicherlich bald schwinden wird. Und völlig beliebt sind zur Zeit "Medienpartnerschaften" mit Print-Titeln. Die "Kooperatitis" wird mit Sicherheit auch im Hörfunk um sich greifen, zu mal die Einstiegskosten für interessierte Organisationen nicht gleich so hoch sind wie beim Fernsehen. Streichen oder Pauschalisieren der Reisekosten ist ebenfalls ein beliebtes Mittel zur Kostenreduktion. Im Kalkül einiger Kostenwächter ist auch das stillschweigende "Fallenlassen" von Zuschlägen - etwa der Sprecherzuschläge, der Übersetzungszuschläge oder des Eigenproduktionszuschlages. Hier versuchen Abteilungsleiter an tarifvertraglichen garantierten Leistungen herumzustreichen und dies oft mit fadenscheinigen Argumenten. Natürlich ist es nicht nachvollziehbar, warum ein fest angestellter Abteilungsleiter, der persönlich mit zahlreichen tariflichen Sonderleistungen ausgestattet ist, diese aus eigenem Antrieb freien Mitarbeitern verweigern will. Gegen diese Aushöhlung von tariflichen Leistungen sind die Gewerkschaften in der gegenwärtigen Krise des Journalismus ziemlich machtlos. Denn auch das muss man sehen: Der Organisationsgrad von freiberuflichen Journalisten ist zwar gut - doch die Stimmung für die Arbeitnehmervertretung nicht. Gerade Journalisten wettern in den Medien gegen ihre eigenen Interessen! Mit dieser Situation muss man sich abfinden - und wer in diesem Spiel für die Budget-geplagte Redaktion als Autor besondere Vorteile bietet, der wird wahrscheinlich von diesem aberwitzigen Sparzwang profitieren. Denn "betreuungsarme" Autoren, die möglichst auf Zuruf schnell und unkompliziert liefern, sind bei den Redaktionen gefragt, die noch Aufträge herausgeben können. Auf jeden Fall ist es ratsam, sich aus der wirtschaftlichen Total-Abhängigkeit von öffentlich-rechtlichen Sendern zu befreien, freilich ohne sich selbst dabei aus der noch vorhandenen Sozialbindung der Tarifverträge zu katapultieren. Doch für ein wenig mehr Diversifizierung bei möglichen Auftraggeber zu sorgen, kann nicht schaden. Zumal die öffentlich-rechtlichen Sender ihre wichtigste Qualität verloren haben: Sie sind nicht mehr zuverlässig! Manfred Kloiber ist Freier Wissenschaftsautor und engagiert sich bei der Gewerkschaft verdi für die Interessen der freischaffenden Autoren. Der Artikel - wurde mit freundlicher Genehmigung - dem "WPK Quartely" entnommen, einer Publikation der Wissenschaftspressekonferenz http://www.wissenschafts-pressekonferenz.de Zu Favoriten hinzufügen (321) | Artikel zitieren | Aufgerufen: 4274 | Drucken
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