"Fernsehen ist das letzte Ãœberbleibsel der Sowjetunion" meint Michael Rosenblum
Matthias Holland-Letz über den Apologeten des Videojournalismus (VJ) der mit Hilfe der VJs das öffentlich-rechtliche
Fernsehen angeblich vor dem Tode retten will.
Kennen Sie Michael
Rosenblum?
Nein? Der Mann ist US-Amerikaner und war mal Redakteur bei
der CBS. Heute betreibt er ein schwunghaftes Geschäft,
finanziert auch vom deutschen Gebührenzahler, mit der Ausbildung
von Videojournalisten (VJ). Das sind die Leute, die vier Berufe
gleichzeitig ausüben: Fernseh-Journalist, Kameramann/-frau,
Tontechniker und Beleuchter.
Michael Rosenblum verfolgt eine Mission:
Er will das Fernsehen, auch das öffentlich-rechtliche, befreien.
Fernsehen sei „von Grunde auf nicht-demokratisch", sagt Mr.
Rosenblum, nachzulesen auf den Internet-Seiten von hr-online
(http://www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/index.jsp?rubrik=6104&key=standard_document_1202960).
Seine Begründung: Wenige Leute entscheiden, „was wir sehen".
Fernsehen stecke deshalb in einem „dunklen Zeitalter", findet
Rosenblum. Kurzum: „Fernsehen ist das letzte Überbleibsel der
Sowjetunion.". Das Reich des Bösen sozusagen.
Doch der Mann
aus Amerika hat ein Rezept, wie das Böse überwunden und der
Demokratie zum Sieg verholfen werden kann. „Wenn wir der
Technologie freien Lauf lassen", sagt Rosenblum. Wenn alle, ja alle
Fernsehjournalisten mit Digital-Video(DV)-Kameras für rund 2.000
Euro ausgerüstet werden. Dann könne jeder seine „Vision"
verwirklichen. „Dann glaube ich, werden wir das Niveau von
Shakespeare und Thomas Mann erreichen", sagt Mr. Rosenblum.
Und
noch etwas propagiert der gute Mann: „Die Freiheit des Scheiterns".
Wenn eine Redaktion nur sechs Kameras zur Verfügung hat, so
Rosenblum, „muss jede Geschichte sitzen". Himmel, bewahr! „Aber
wenn wir 200 Kameras haben," so Michael Rosenblum, „dann können
ruhig 150 Geschichten in die Hose gehen."
Es sei dann möglich,
was zu riskieren, zu experimentieren. Wer allerdings das
Ausfall-Honorar für die 150 freien VJs bezahlt, deren
Geschichten die Redaktion in die Tonne haut, sagt der Amerikaner
nicht. Nichtsdestotrotz: Der Hessische Rundfunk ist schwer
beeindruckt und nennt Mr. Rosenblum „bei VJ-Knowhow weltweit
führend".
Seit 2003 darf Michael Rosenblum deshalb Seminare
für die angehenden VJs des HR abhalten. Auf hr-online kann man
das Rosenblum-beeinflusste „Trainingskonzept" des HR nachlesen.
Da steht etwa: Es komme zunächst darauf an, „Multiplikatoren
in den beteiligten Bereichen für die neue Produktionsweise zu
gewinnen". Angehende VJs werden drei Wochen lang geschult, „mit
hoher Intensität", immerhin.
Zum VJ geschult werden auch
Kameraleute und Cutterinnen. Die schickt der HR zusätzlich in
einen Vorbereitungskurs „Journalistisches Handwerk". Fünf
Tage dauert der. Das muß dann aber auch reichen. Der
Rest ist „Training-on-the-job". Muß man wohl
übersetzen mit: "Ãœben auf dem Sender".
Laut HR
arbeiten die VJs inzwischen für die Sendungen „hessen
aktuell", „Hessenschau", „Maintower", „Mex" oder
„Abenteuer Erde". Die VJs produzieren ebenso kurze News-Filme wie
mehrminütige Magazin-Beiträge „und auch lange
Reportagen", wie der HR mitteilt. Da die Videojournalisten
„wirtschaftlich und mit geringem Personalaufwand" produzieren, so
der Hessische Rundfunk, werden die Kosten für technische
Investitionen und Schulungen „bald amortisiert sein."
Der HR
steht schon lange nicht mehr alleine: VJ-Projekte gibt es auch bei
Deutsche Welle-TV und beim MDR. WDR oder Radio Bremen setzen
selbstdrehende Reporter ein, die ihre Beiträge aber - bislang?
- noch nicht schneiden müssen. Stefan Kaempf, VJ-Koordinator
bei Deutsche Welle-TV, gibt laut Mitarbeiterzeitung immerhin zu: Das
bisherige hohe Niveau der TV-Beiträge könne von VJs „nicht
immer gehalten werden."
Och, nicht so schlimm.
Beim Durchsetzen der
VJs geht es schließlich um höhere Ziele, wie wir von Mr.
Rosenblum erfahren haben. Um „Freiheit" und um „Demokratie".
Und wer sich daran nicht beteiligen will, den trifft der Fluch des
Michael Rosenblum: „Wenn die Leute von ARD und ZDF glauben, sie
müßten große Teams in die Welt schicken, um
Geschichten zu erzählen, werden sie sterben." Zu Favoriten hinzufügen (455) | Artikel zitieren | Aufgerufen: 12186 | Drucken
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