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05.06.2003

Absurditäten der "Prognose"-Praxis beim WDR (aus dem WDR-Dschungelbuch)

 

( Dies ist ein Auszug aus der ersten Auflage des WDR-Dschungelbuchs - die völlig revidierte Neuauflage erscheint Ende März 2012 und kann hier in Auzügen angeschaut und bestellt werden: www.wdr-dschungelbuch.de )

Ein Tag beginnt um Mitternacht und dauert genau 24 Stunden - wenn mann mal von gelegentlichen Schaltsekunden absieht, mit denen Astronomen eiernde Erdbewegungen und die Ungenauigkeiten des Kalenders aufeinander abstimmen. Zudem hat man sich daran gewöhnt, daß je einmal im pro Jahr ein Tag entweder 23 Stunden oder 25 Stunden dauert.

Das ist geregelt.

Völlig uneins über die Frage, wie ein Tag definiert werden soll, ist man sich dagegen innerhalb des Westdeutschen Rundfunks. Wer in dieser Anstalt danach fragt, was ein Arbeitstag eines freien Mitarbeiters ist, der bekommt ganz unterschiedliche Antworten und lernt: Die Antwort hängt ganz vom Interesse dessen ab, der gefragt ist. Zwar ist es eine Banalität, daß das Sein das Bewußtsein und die Interessenlage das Denken bestimmt. Doch im Falle der WDR-Tage geht die Uneinigkeit manchmal quer und
längs durch denselben Kopf.

Im WDR gibt es nicht nur Kalendertage, sondern auch Prognosetage, fiktive Tage, reale Tage, rein rechnerische Tage.

Also, was ist z.B. ein Beschäftigungstag einer freien Autorin?

Fragen wir die Justiziarin des WDR, so antwortet sie:
"Alles, was länger als eine halbe Stunde dauert, ist ein Tag. Wenn Sie also für einen Kurzbeitrag im Radio an einem Tag eine halbe Stunde mit dem Redakteur gesprochen haben, an dem nächsten eine halbe Stunde lang Originaltöne aufgenommen, am dritten Tag eine Stunde lang das Manuskript geschrieben und am vierten im WDR-Tonstudio das Sendeband produziert haben, dann haben Sie vier Prognosetage für den kurzen Beitrag gebraucht. Und an den vier Tagen vielleicht so um die 250 Mark Umsatz gemacht." --- so geäußert auf der Redakteurversammlung zum Thema "Prognose"

Die Justiziarin will nämlich kein Risiko eingehen. Wenn sich irgendjemand auf eine Angestelltenstelle einklagt, während sie ihren Posten hat, steht sie dumm da.

Der Redakteur dagegen sagt:
"Ein Tag ist das, was ich mit der Freien abgemacht habe. Wir müssen uns auf die Daten einigen, an denen sie den Radiobeitrag gemacht hat -  dann war das so. Und sie soll mir bitte nicht später kommen und sagen, es waren mehr Tage oder weniger. Das macht Arbeit und schafft Präzedenzfälle. Vier Tage sind aber sowieso  nicht drin. Schließlich dürfen meine Autorinnen und Autoren nur acht Tage im Monat für den WDR arbeiten, da kann ich das mit den vier Tagen pro Beitrag nicht einreißen lassen. Wir müssen uns auf einen Durchschnitt einigen."

Der Redakteur möchte nämlich, daß alle seine Freien möglichst jederzeit für ihn arbeiten können, wenn er das wünscht. Alles andere wäre lästig und nicht gut fürs Programm.

Ein Freier ist nicht einverstanden:
"Wenn ich an vier Tagen den Beitrag gemacht habe, müssen die auch so registriert werden, und wenn der Beitrag noch so wenig Geld gebracht hat."

Der Freie hat nämlich gerade eine flaue Phase - nur beim WDR natürlich - und will ein paar Beschäftigungstage sammeln, damit sein nächster Urlaubsantrag glatt durchkommt.

"Kommt gar nicht in Frage", antwortet ihm da die Abteilung Soziales der Abteilung Honorare und Lizenzen (HoLi) der Verwaltungsdirektion des Westdeutschen Rundfunks. "Ein Tag ist das, was in unserem Computer für Sie als Beschäftigungstag registriert. Und wenn Sie das nachträglich ändern wollen, dann müssen Sie sich mit Ihrer Redaktion darüber einigen.

Außerdem: Vier Tage für einen Zweiminüter im Radio - das läuft sowieso nicht. Denn bei uns zählen nicht die real gearbeiteten Tage, sondern die Tage, die fiktiv aufgrund von Erfahrungen in der Regel benötigt werden."

Die Abteilung Soziales möchte nämlich möglichst nicht, daß der gerade mal nicht so voll beschäftigte Freie mit Hilfe seiner vier Tage womöglich die Voraussetzungen für das Urlaubsentgelt knapp erreicht. Denn man weiß es zu schätzen, daß der Zielkorridor zwischen "der Prognose" und den Mindest-Beschäftigungstagen laut Tarifvertrag eng ist: Sieben Tage durchschnittlich pro Monat braucht der Freie, um Urlaubsentgelt zu bekommen, aber nur acht Tage durchschnittlich darf er ran nach den Prognoseregeln des WDR. Noch enger ist es für die Kolleginnen und Kollegen mit der "Viertagesprognose": 24 Tage dürfen sie (nach den Prognoseregeln) und 24 müssen sie (nach der WDR-Auslegung des Tarifvertrages) im Halbjahr.

 Und so dreht sich das Karussell der Argumente weiter. In Zeiten mit viel WDR-Aufträgen möchte derselbe Freie seinen Zweiminüter am selben Tag noch drei weitere Beiträge  geschrieben und produziert haben - damit er nicht an die "Prognose"-Grenze stößt.

Dagegen möchte die Redaktion das so nicht gerne in den Computer eingeben. Denn den WDR- Beschäftigten drohen Abmahnung und Kündigung, wenn sie gegen die Dienstanweisungen des Intendanten zur "Prognose" verstoßen.

Das Justiziariat wiederum möchte die Kontrolle weiter verschärfen. Am besten soll jeder Besuch in einem Schnittstudio des WDR sogleich auch im Prognosesystem des COGHOS-Programms registriert werden - wie wäre es da eigentlich mit einem Magnetkartensystem?

Seitdem die Redaktion reale oder fiktive Beschäftigungstage der Freien in das Computersystem statt auf Papier eingibt, hat sich das Verlangen der diversen WDR-Abteilungen unbändig verstärkt, die Fiktion des Computers und die Realität der Arbeit in absolute Ãœbereinstimmung zu bringen. Dies ist menschlich gesehen und auch nach der Theorie der kognitiven Dissonanz sehr verständlich - aber ein aussichtsloses Unterfangen angesichts der unterschiedlichen Interessen, die die Sicht der Realität prägen.

Wenn der Urlaubsantrag oder der Antrag auf Krankengeld auf dem Tisch liegen, ist es der Abteilung Soziales der Verwaltungsdirektion des Westdeutschen Rundfunks ganz recht. Für sie gilt nur, was auf dem Computerbildschirm erscheint - und mag der Freie auch noch so beteuern, daß nur er alleine wirklich wissen kann, was bei ihm ein Beschäftigungstag für den WDR ist. Das wäre ja noch schöner.

Was der COGHOS-Computer über die Beschäftigungstage der Freien anzeigt, dürfen die Freien selbst nach internen WDR-Regeln übrigens nicht zu sehen bekommen. Das wäre ja noch schöner, wenn sie sich auf das einstellen könnten, was der Bildschirm anzeigt.

(Leseprobe aus dem WDR-Dschungelbuch von Ulli Schauen)
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